Polizeigewalt bei Stuttgart 21 Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Mittwoch, den 22. Dezember 2010 um 19:23 Uhr

Der Untersuchungsausschuss zu der Polizeigewalt gegen die Stuttgart 21-Gegner am 30. September fördert die von Beginn an relativ offensichtliche Absicht, die Proteste gegen die teilweise Zerstörung des Stuttgarter Schlossparks gewaltsam zu attackieren, noch einmal sehr deutlich zu Tage. Die Polizeigewalt war ein Akt obrigkeitsstaatlichen Terrors, von der baden-württembergischen Landesregierung wissentlich und willentlich verlangt, gefördert und ermöglicht.

Nach zahlreichen Beweisaufnahmen im Untersuchungsausschuss steht inzwischen fest, dass der Polizeieinsatz am 30. September erst wenige Stunden vorher, am 29. September, am späten Nachmittag im Staatsministerium bei Anwesenheit und mit ausdrücklicher Billigung von Ministerpräsident Mappus entschieden wurde. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass Mappus sich vor dem Landtag nach den Wochen der Massendemonstrationen als "Law-and-order-Mann" präsentieren wollte, und sich dementsprechend autoritär und faschistisch krimineller und totalitärer Methoden der Machtausübung bediente.

Bereits am 20. September, also zehn Tage vor dem "Schwarzen Donnerstag", hielt ein Protokoll über eine Gesprächsrunde beim Besuch des Ministerpräsidenten im Polizeipräsidium Stuttgart fest: "MP erwartet offensives Vorgehen gegen Baumbesetzer". Allerdings trat bei den Ausschusssitzungen auch das Fehlen mehrerer Protokolle, und zwar von den entscheidenden Sitzungen und Besprechungen zu dem Polizeieinsatz, zutage. Darauf angesprochen begründeten die Ministerialbeamten dies entweder mit Überlastung oder wahlweise auch mit Geheimhaltung.

Tatsächlich versucht die Landesregierung also die ganze kriminelle und totalitäre Energie ihres Vorgehens, ihrer absichtlichen Verletzung elementarer Menschen- und Grundrechte ausschließlich zum Zweck der Durchsetzung eines industriellen Großprojektes, zu verschleiern. Und zeigt mit diesen nun offenkundigen Vertuschungsversuchen ihre Verlogenheit und Kriminalität nur umso deutlicher.

Ein weiteres pikantes und hochinteressantes Detail ist das ebenfalls absichtsvolle Einschleusen von Polizeispitzeln in die Reihen der Stuttgart 21-Gegner. In der der Sitzung am 17.12. wurde ein Protokoll eines Koordinierungsgesprächs im Umweltministerium am 23.06.2010 bekannt, in dem es heißt: "Das Polizeipräsidium Stuttgart bildet aktuell zwei ehemalige, zivile Aufklärer der BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) für die Erkenntnisgewinnung im linken Bereich aus. In keinem Fall darf aber der Duktus der Überwachung von bürgerlichen S21-Gegnern aufkommen."

Angesichts der Erkenntnisse der Polizei, dass der Widerstand gegen Stuttgart 21 von einer breiten bürgerlichen Schicht aus der Mitte der Gesellschaft getragen werde, wird hier offenkundig, dass diese Aktion einzig und allein dazu diente, unter einem falschen Vorwand den friedlichen und bürgerlichen Protest gegen Stuttgart mit Hilfe von Informanten auszukundschaften und darüber hinaus möglicherweise auch zu diskreditieren und zu sabotieren.

Dazu passt letztlich auch der nachweisbare, filmisch dokumentierte Einsatz von Provokateuren der Polizei, die friedlichen Demonstranten auflauerten und diese absichtsvoll provozierten und schikanierten, um Aggression und Gewaltbereitschaft zu erzeugen oder zu simulieren, um damit wiederum einen Vorwand für die von vornherein geplante Polizeigewalt gegen die Demonstranten zu bekommen.

Dies bestätigte schließlich am vorletzten Tag der Zeugenvernehmung des Untersuchungsausschusses auch der Stuttgarter Theaterregisseur Volker Lösch. Mit seiner Aussage belastete Lösch die Polizei schwer. "Ich beschäftige mich beruflich mit Gewalt", sagte der Regisseur des Stuttgarter Staatstheaters bei seinem Auftritt als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss.

Er bewertete den Polizeieinsatz, der über hundert Verletzte Stuttgart-21-Gegner, darunter mehrere Schwerverletzte, die teilweise oder nahezu vollständig erblindet sind, sowie eine Tote zur Folge hatte, mit drastischen Worten. "Willkür" und "Lust an der Eskalation" bescheinigte der Theatermann zahlreichen Polizisten, "sie hatten Bock sich zu prügeln", wollten "Randale machen". Die vollvermummten, gepanzerten Beamten seien als "kleine Armee" gegen die durchweg friedlichen Demonstranten vorgegangen.

 

Stuttgart 21 Polizeigewalt

 

Es habe "offenbar einen Freibrief" für die Polizei gegeben. Der Augenzeuge erinnerte sich, dass einem Demonstranten von einem Polizisten die Brille hochgeschoben worden sei, ein anderer Polizist habe ihm dann Pfefferspray in die Augen gesprüht. Auch habe, was bislang von niemand behauptet worden ist, einer der zwei Wasserwerfer "einen Schüler aus dem Baum rausgeschossen".

Bekannt ist, dass Videos zeigen, wie ein Wasserwerfer auf einen Baumbesetzer zielt. Auf Nachfrage bekräftigte Lösch, der Schüler sei abgestürzt. "Das sage ich auch unter Eid." Die Staatsanwaltschaft Stuttgart, die über 300 Strafanzeigen im Zusammenhang mit dem Einsatz bearbeitet, konnte gestern nicht sagen, ob der Fall ihr bekannt ist.

Lösch bestätigte, dass die Polizei "selbstverständlich" mehrfach gefordert habe, die Blockade der Einsatzfahrzeuge zu beenden. Er habe sich aber geweigert, Folge zu leisten: "Wenn die Polizei mir unsinnige Dinge sagt, fälle ich die Entscheidung selber." Die Blockade und auch das Unterhaken der Protestierer seien vom Demonstrationsrecht gedeckt gewesen. (Quelle: Südwest Presse - S-21-Untersuchungsausschuss: "Polizei hatte Bock auf Prügeln")

Auf der Großdemonstration nach dem hemmungslosen Gewaltexzess uniformierter, abgerichteter Prügelpolizisten äußerte Lösch sich bereits eindeutig zu dem Vorgehen dieser kriminellen Bande und ihrer Strippenzieher in der Politik, die das Verletzen und Töten von Menschen aus puren Machtpolitischen, ökonomistisch gesteuerten Interessen gewollt, wissentlich und willentlich befohlen und damit auch zu verantworten haben.