Die Mittelschicht und der ESM Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Samstag, den 07. Juli 2012 um 18:42 Uhr

Die aktuell sehr beliebte und verbreitete Propaganda gegen den ESM lässt interessante Erinnerungen wach werden. In zweierlei Hinsicht. So alternativ- und widerstandslos der ESM von der Vier-Parteien-Einheitspartei im Bundestag durchgewunken wurde, so unbeliebt ist er auch – allerdings nur bei der in dieser Frage übergangenen Bevölkerung. Bei der wie üblich übergangenen Bevölkerung, müsste man hinzufügen. Dies hat allerdings keine Methode, sondern dies ist die Methode.

Genauer gesagt: Dies ist Herrschaftsmethode. Die innerhalb des liberalen Bürgertums und der bürgerlich-liberal konditionierten Bevölkerungen allgemein akzeptierte und nicht hinterfragte Herrschaftsform des parlamentarisch organisierten Parteienstaates. Deutschland kennt sämtliche der verschiedenen Variationen dieser Herrschaftsordnung. Sei es die Herrschaft unendlich vieler Parteien, oder nur einiger weniger Parteien, oder gar nur einer einzigen Partei.

Oder auch die ganz aktuelle Variante: Die parlamentarische Herrschaft einer einzigen Partei im Gewand mehrerer Parteien. Eine Art historischer Kompromiss aus Ein-Parteien- und Mehr-Parteien-Staat. An dieser noch recht oberflächlichen, rein äußerlich-institutionellen Ausprägung der bürgerlich-liberalen Herrschaftsordnung kann man jedoch bereits die politische Entwicklung derselben deutlich ausmachen. Nämlich den langsamen, schrittweisen Übergang von einer Despotie in eine Tyrannei.

Ein Meilenstein auf diesem Weg in eine offene Diktatur ist der ESM. Das Perfide an der aktuellen Debatte über den ESM ist aber: Dies ist sehr häufig gar nicht der Grund für dessen Unbeliebtheit. Ganz im Gegenteil sogar. Zum Verständnis dieses Umstandes ist ein flüchtiger Blick in die Vergangenheit bitter notwendig. Ein gutes Erinnungsvermögen tut dafür not. Zumindest an das, was von der deutschen Geschichte gelehrt und vermittelt wird.

Und da erinnert die Unbeliebtheit des ESM ein wenig an die Unbeliebtheit des Versailler Diktats seinerzeit. Die Gründe dafür ähneln sich, so wie sich auch die Auswirkungen dieser beiden “Verträge” ähneln. Wobei man die Folgen des ESM allerdings noch gar nicht kennt. Umso vehemter jedoch wird dafür gegen den ESM gewettert und geflucht, was das Zeug hält.

Dabei fällt auf, dass der Ärger über den ESM in einer ganz bestimmten Bevölkerungsgruppe in dieser ganz speziellen Form auftritt, ja regelrecht grassiert: In der Mittelschicht. Im deutschen Wohlstandsbürgertum. Das Kleinbürgertum, das sich über Arbeit, Gehalt, Status definiert. Das mittelständische Kleinbürgertum, das den Wohlstand liebt, weil es glaubt, ihn sich redlich verdient zu haben.

Das den Wohlstand umso mehr liebt, je mehr es glaubt, ihn zu verdienen. Das ihn noch mehr liebt, je weniger es von ihm zu haben, oder aber, ihn zu verlieren glaubt. Die Betroffenheit der deutschen Mittelschicht ist freilich alles andere als zufällig und höchst bedeutsam. Das Bild, welches die Propaganda des Wohlstandsbürgertums vom ESM zeichnet, weckt eine weitere, weitaus beunruhigendere Erinnerung.

Das kleinbürgerliche Propagandabild vom misswirtschaftenden Europa, das wie ein blutsaugender Parasit, wie der jüngste Tag, über Deutschland herfällt, um sich am kleinbürgerlichen Wohlstand zu laben, erinnert nämlich frappierend an die nationalsozialistische Propaganda von der jüdischen Krake, die über Deutschland herfällt und den germanischen Volkskörper zersetzt und aussaugt.

Dies ist in der Tat alles andere als ein Zufall: Die deutsche Mittelschicht, die einst die nationalsozialistische Tyrannei verwirklicht und getragen hat, findet darin nun zum wiederholten Male in der Geschichte eine Bestätigung ihres masochistisch-paranoiden Opferkults, der wiederum ihr zwanghaft-fetischistisches Untertanenverhalten blinder, identitärer Unterwerfung unter starke, mächtige Obrigkeit und Götzen legitimiert und befriedigt. Ganz deutlich ausgedrückt: Der deutsche Wohlstands-Kleinbürger ist und bleibt der ewige (strukturelle) Faschist.

Aus der Mittelschicht rekrutiert sich der klassische Mainstream-Faschist, der mehrheitlich lediglich, aber auch zwangsläufig,  stets seine faschistische Sprache dem politisch konstituierten und instruierten Zeitgeist anpasst. Nur die faschistische Grammatik bleibt gleich, also die ideologische Grundstruktur: Der fleißige, brave deutsche Vorzeigebürger, der zum Opfer finsterer Schmarotzer und ihrer noch finsteren Verschwörungen wird.

Die grandiose mentale Schizophrenie, die aus dieser faschistischen Geisteshaltung hervor geht, besteht in der Gleichzeitigkeit völlig gegensätzlicher psychisch-kognitiver Zwanghaftigkeiten, Zwangsvorstellungen, Zwangsbedürfnisse. Zum einen das Verlangen nach dem Feind, dessen Opfer man ist, aber über den man sich moralisch erheben kann, um auf diese Weise das Grundbedürfnis devot erlebter und ausgelebter Macht und Stärke zu befriedigen.

Außerdem daher also auch das Verlangen nach einer Obrigkeit und nach eigener Unterwerfung unter diese, welche die moralische Überlegenheit definiert und legitimiert, weil man an der Macht und Stärke dieser Obrigkeit, durch die Unterwerfung unter diese, stellvertreterlich, identitär teilzuhaben glaubt. Aus dieser totalitären Unterwürfigkeit zieht der Faschist seinen primären Lustgewinn und damit auch Lebensinhalt.

Zu diesem gesellt sich schließlich auch noch das Verlangen nach der völligen Gleichheit und Mittelmäßigkeit einer großen vereinheitlichten, moralistisch normierten, geordneten Menschenmasse. Aus dieser darf jedoch keiner heraus ragen, da dies die moralische Erhabenheit des Untertanen, sowie die moralische Legitimationsmacht der Obrigkeit in Frage stellt. Kurzum: Der faschistische Wohlstandsbürger will sich unterwerfen, überordnen und in einem gleichheitlichen, gleichförmigen Kollektiv aufgehen. Alles drei gleichzeitig.

Die aus den jüngsten Umfragen hervor gehende, unerschütterlich hohe Beliebtheit von Merkel, also der unmittelbaren politisch Verantwortlichen für die Durchsetzung des ESM, dürfte ein Spiegelbild für diese Schizophrenie, und letztlich für den faschistischen Charakter eines überwältigenden Großteils der deutschen Bevölkerung sein. Bzw. ganz konkret der deutschen Wohlstandsbürger-Mittelschicht.

Was der deutsche Kleinbürger-Untertan für moralische Integrität und Erhabenheit hält - der faschistische Urschleim seiner moralistischen Entrüstung - ist in Wahrheit seine moralische Bankrotterklärung. Und sein völliger Offenbarungseid. Einer elitären, autistischen aggressiv-ignoranten Moraltyrannei. Geboren aus der masochistisch-paranoiden Unterwürfigkeit des von Missgünstigkeit, Neid, Eifersucht, Angst und Paranoia zerfressenen Wohlstandsbürgertums.

Der ewig faschistischen deutschen Mittelschicht, welche die Despotien und Tyranneien auf deutschem Boden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft trägt und getragen hat und tragen will, und auch zu gar nichts anderes als eben genau dem in der Lage ist. Die gegenwärtige Despotie der kleinbürgerlich-liberalen parlamentarisch organisierten Parteien-, Lobby- und PR-Diktatur befindet sich augenblicklich in einem kaum noch verstellten und kaschierten Übergang in eine offene supranationalistische Bürokraten-Tyrannei.

Der ESM ist gewiss ein Meilenstein auf der politischen Schnellstraße in den geplanten totalitären europäischen Superpseudostaat. Dies interessiert die deutsche faschistische Mittelschicht herzlich wenig. Außer dort, wo ihre devote Paranoia ihnen die Einsicht suggeriert, dass sie in diesem Herrschaftsgebilde keine oder nur ungenügend moralistische Machtidentifikation mit dieser anonymen, superelitären Obrigkeit erfahren könnte.

Dort, wo die devote Schizophrenie des faschistischen Wohlstandsbürgers, also der devote Machtidentifikationstrieb, dessen Machtverlust-Paranoia überlagert, richtet sich dessen Angst und Missgünstigkeit auf das übliche Schmarotzer-Feindbild, und damit auch auf seine eigene Opferhaltung. Europa, die gefräßige Krake, die über die deutsche Wohlstandsbürgerlichkeit herfällt. Und der ESM ist es, der dieser Krake die Türen öffnet.

Nicht ein einziges Wort dagegen hört man über die im Grundgesetz Deutschlands verankerte nationale Haushaltssouveränität, die durch den ESM untergraben, und letztlich beseitigt wird. Und damit wiederum ist es letztendlich das Grundgesetz selbst, welches durch den ESM beseitigt wird. Zumindest wenn man annimmt, dass nicht Hartz IV und sämtliche Überwachungsstaatsgesetze dies nicht längst vorher schon getan haben. Das Grundgesetz mit seinen Grundrechten: Es war und ist der zarte Versuch, freiheitliche Rechtsstaatlichkeit, also Demokratie, das Gegenteil von Herrschaft, zu verwirklichen.

Der besonders dann, wenn es tatsächlich um individuelle politische Freiheit geht, nur auf dem Papier existiert. Aber immerhin: er existiert. Darum aber schert sich die faschistische deutsche Mittelschicht nicht. Und dies ist eben alles andere als zufällig, selbst dann, wenn diese Missachtung der Grundrechte, und konkret der nationalen Haushaltssouveränität Deutschlands, völlig unbewusst, blindlings, zwanghaft geschieht.

Aus der devoten, paranoiden Getriebenheit des faschistischen Wohlstandsbürgers kann, muss die Ablehnung, ja Verachtung jeder individuell-freiheitlicher Moralität und daraus hervor gehender Politik zwangsläufig und notwendigerweise Weise erfolgen. Denn weder Neid, Missgünstigkeit, Paranoia, Hass gegenüber dem Schmarotzer, noch die damit befriedigte und legitimierte Unterwerfungssucht und stellvertreterliches Machterleben, mittels herbei gesehnter und inbrünstig verehrter Obrigkeit, können durch tatsächlich freiheitliche, also herrschaftsfeindliche Moral- und Rechtsgrundsätze, befriedigt werden.

Und auch im deutschen Grundgesetz lebt dieser freiheitliche Geist, der die politische und soziale Autonomie des Individuums gegenüber herrschaftlichen Bestrebungen von außer- bzw. oberhalb und gegenüber einem herrschaftlich geformten sozialen Kollektiv betont. Allerdings konnte dieser Geist angesichts der schließlich konkret etablierten parlamentarisch-parteienstaatlichen Herrschaftspraxis nie wirklich zum Leben erweckt werden.

Und mit dem ESM wurde nun ein weiterer massiver Spatenstich vollführt, um das Grab auszuheben, in dem das Grundgesetz, und mit diesem der Geist individueller Freiheit jenseits kollektiv-herrschaftlicher Bestrebungen, endgültig beerdigt werden soll. In dieser Hinsicht hat das stalinistisch ausgebildete politische Regime-Oberhaupt Merkel also ganze Arbeit geleistet. Und genau dafür wird sie von der deutschen Mittelschicht eben auch inbrünstig geliebt.

Auch wenn die Krake Europa jetzt über Deutschland herfällt und das arme Wohlstandsbürgertum bei lebendigem Leibe auffrisst, so suhlt sich dieses doch nun nur noch umso mehr in seinem triebhaften Verlangen nach starker, mächtiger, unnachgiebiger Obrigkeit. Und wer repräsentiert dies besser, als die ehemalige FDJ-Sekretärin, die sozialsadistische Plattitüdenschleuder im Hosenanzug, erhaben residierend im Berliner Kanzleramt?

Eine hervorragende Ausbildung hat sie genossen: die Prinzipien stalinistischer, staatskapitalistischer Machtpolitik stellen sich für die gegenwärtigen Anforderungen postmoderner, paneuropäischer, monopolistischer Herrschaftspolitik als wie gemalt heraus. Und nicht weniger auch für das Unterwerfungs- und Erlösungsbedürfnis der faschistischen deutschen Wohlstandsbürger-Mittelschicht.

Auch dieses Mal, erneut, wird sie begeistert und jubelnd im Gleichschritt in die Tyrannei marschieren. Sich dabei manchmal ganz heimlich, leise und verstohlen an einen längst noch nicht gescheiterten, sondern doch nur aufgeschobenen Traum ihrer Vorfahren erinnernd: Den Endsieg. Die Endlösung. Und wie immer, auch dieses Mal, wird sie am Ende von allem nichts gewusst, wird nichts gesehen und nichts gehört haben. Die Krake war nämlich schuld. Der Schmarotzer war schuld. Wie immer.