Katastrophen-Entertainment für den Wohlstandsbürger Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Freitag, den 11. März 2011 um 23:15 Uhr

Im Pazifik bebt die Erde. Städte wackeln, der Strom fällt aus, es brennt, Menschen sterben, Wassermassen türmen sich auf und überrollen das Land - kurzum: Die Welt ist schlecht, und der Jüngste Tag wirft mal wieder seinen Schatten voraus. Genauer gesagt: auf das nach Katastrophen wie diese lechzende Hirn des westlichen Wohlstandsbürgers.

Die als Nachrichten oder neudeutsch "News" (sic!) getarnten Desinformations- und Propagandashows bemühen sich dabei wenigstens noch um Seriösität. Für den schönen, säkularen Wohlstandsbürgerschein - das abendländisch-zivilisatorische Kultur-Äquivalent zum Geist und Seele erquickenden Sonnenschein in der Natur, im wahren Leben.

 
Also genau das, wofür das dressierte Wohlstandsbürgertum schnell den Blick und das Bewusstsein verliert - und beides stattdessen auf die Mattscheibe richtet, um sich seine tägliche Dosis Angst und/oder Entertainment abzuholen. Bemüht sich also der bürgerliche Propagandaapparat wenigstens noch um Seriösität, macht der Unterhaltungsapparat dagegen kaum einen Hehl daraus, um was es sich bei solchen "Naturkatastrophen" für den westlichen Wohlstandsbürger tatsächlich handelt oder zumindest handeln soll.

Videobilder, wie die Erde bebt, oder wie sich Wassermassen in Bewegung setzen und das Land überfluten, mit spannender Musik unterlegt, zeigen unverhohlen, um was es sich handelt. Um pures Entertainment nämlich, um Drama ohne Drehbuch, Regie und Schauspieler, um Reality-TV mit einem Hauch von Hollywood, um eine Synthese aus Realität und Fiktion, Doku und Drama, geeint durch eine gemeinsame Agenda: Zu unterhalten, unter der Maske der Aufklärung.

Es geht nur noch um pseudo- bzw. anti-aufklärerische Angsterhaltung - sowohl im Wortsinne, als auch als Synthese der Wörter "Angst" und "Unterhaltung" - "Angsterhaltung". Eine enge Verwandte des "Konspirotainments" - Synthese aus "Konspiration" und "Entertainment". Angst und Paranoia auf der einen Seite, sowie Unterhaltung auf der anderen, leben inzwischen in einer nicht länger nur kompensatorischen, sondern auch engen symbiotischen Beziehung.

Aufklärung ist ein weiterer Aspekt, der im Angsterhaltungsgeschäft des massenmedialen Propagandaapparates des etablierten gesellschaftlichen, wohlstandsbürgerlichen Herrschaftsgefüges nur noch ein verkümmertes, pervertiertes, entstelltes Nischen- bzw. Fassadendasein fristet.

Der heutigen autoritären Propagandamaschinerie geht es nicht um die Aufklärung, sondern primär um die Irrationalisierung des Menschen, und dementsprechend um Anti-Aufklärung, um Angsterhaltung. Und dementsprechend ufert die Katastrophen-Berichterstattung hierzulande auch stets aus, bedient dieses Prinzip der systematischen Paranoisierung des Menschen, der Angsterhaltung oder des Konspirotainments.

So auch die jüngsten Ereignisse in Japan. Nur ein kleiner Trost dabei ist, dass das Wohlstandsbürgertum wenigstens in diesem Fall nicht seinen üblichen Verdächtigen die Schuld für das gezeigte und empfundene Grauen zuweisen kann. Also Arbeitslosen oder Ausländern, Terroristen oder Kommunisten.

Die Schuld nämlich für den subtilen Terror, aufgrund fehlender Ordnung und Sicherheit der Welt, die Unterwürfigkeit und Angepasstheit so bequem und komfortabel macht. Diesem eigentlichen systemischen Zweck folgt diese Paranoia natürlich. Genauer gesagt, folgt ihm der subtile Zwang zu systematischer Paranoisierung der Bevölkerung aus den insbesondere politischen und massenmedialen Strukturen der etablierten Herrschaftsordnung heraus.

Zum Zweck also der Herrschaftssicherung durch das Abrichten und innere, seelische Brechen, und letztlich das Gefügigmachen von Menschen. Durch Angst und auf solcher Angst beruhender Zerrüttung des Menschen, wie Polarisierung der Gesellschaft, lässt sich dies besonders leicht bewerkstelligen.

Eine Verschwörung braucht es dafür nicht - lediglich eine verselbstständigte Machtordnung, die Herrschaft über Menschen durch deren Ängstlichkeit und Irrationalität legitimiert. Und diese folglich schürt, wo sie nur kann. Die ohnehin nichts anderes außer Angst und Irrationalität kennt, da dies die kollektiven psychosozialen Voraussetzungen für die Entstehung von Herrschaftsstrukturen sind.

Die aus diesem Grund auch ein dementsprechend geprägtes weltanschauliches Fundament einer Herrschaftsgesellschaft herausbilden. Alles weitere sind mentale und emotionale Versuche der Kompensation der propagandistischen Dauerberieselung mit Angst. Daher braucht es für ein funktionierendes Herrschaftsgefüge keine grandiosen Verschwörungen - dafür aber umso grandiosere Verschwörungstheorien.

Besonders beliebt derzeit sind Verschwörungstheorien wie die urrassistische von heruntergekommenen Sozialschmarotzern, oder die von bärtigen Terroristen oder die der ultimativen Bedrohung durch eine selbst verursachte Klimaerwärmung. All diese Verschwörungstheorien rütteln an der behaglichen, manchmal pseudo-autoritär, manchmal sadistisch kompensierten Unterwürfigkeit und der darin obendrein gefundenen Selbstgefälligkeit und Selbstzufriedenheit des dressierten Wohlstandsbürgertums.

Getoppt werden kann diese Paranoia nur durch die Wirklichkeit - genauer gesagt: durch realen Terror. So wie jetzt wieder das "Mega-Erdbeben" und der folgende Tsunami - ja und vielleicht kommt auch noch ein (Super-)Gau. Grauenhaft. Herrlich. Damit sich das Grauen im saturierten und selbstgefälligen Bewusstsein des Wohlstandsbürgers richtig entfalten kann, werden solche Ereignisse freilich dementsprechend inszeniert.

Ausschweifende Berichterstattung sorgt für die paranoide Fütterung des nach Unterhaltung wie Grauen gierenden Wohlstandsbürgers. Zu diesem Zweck bekommt er die mal mehr, mal weniger perfekte Synthese aus Unterhaltung und Grauen, in einem mal mehr, mal weniger seriösen Gewand geliefert. Der tragische Umstand, dass Arbeitslosen, Ausländern, Terroristen oder Kommunisten nicht die Schuld für die Ereignisse im Pazifik in die Schuhe geschoben werden kann, lässt sich aber leicht ausgleichen.

Denn an deren Stelle tritt ein fast, aber auch wirklich nur fast genauso furchterregender Sündenbock: Die böse Erde. Oder noch abstrakter und unmittelbarer: Die Schlechtigkeit und Feindseligkeit des Lebens an sich. Dieser paranoide Wahn ist mindestens genauso verheerend wie all die anderen Verschwörungstheorien des Wohlstandsbürgertums und des Herrschaftsapparates, dem es dienstbar ist.

Er ist Ausdruck einer schweren mentalen Schizophrenie, die das fundamentale Charakteristikum des Gemütszustandes des Wohlstandsbürgertums ist. Und die Folge der systematischen ökonomischen Abrichtung von Menschen. Der inneren, mentalen wie auch psychischen Zerrüttung des Menschen durch "manichäische", also rigide, religiös geprägte antagonistische Denkstrukturen. Begleitet von noch tiefer liegenden Schuld- und Ohnmachtsgefühlen.

Resultat ist also ein Gut-Böse- und Schwarz-Weiß-Denken und -Empfinden, das den mentalen Nährboden für sämtliche Verschwörungstheorien sowie eine repressive Moraldoktrin bildet. Diese wiederum bildet die weltanschauliche Grundlage für autoritäre Herrschaftsformen, wie insbesondere den westlichen liberalen Obrigkeitsstaat. Und damit auch die weltanschauliche Grundlage des Wohlstandsbürgertums, das diesen Obrigkeitsstaat unter der Maske von Demokratie und Freiheit trägt.

Freiheit, Allgemeinheit, Gerechtigkeit im besonders ökonomischen Kontext von Arbeit, Leistung und Wohlstand sind die ideologischen Surrogate des Liberalismus. Mit denen das Wohlstandsbürgertum die in ihm tief verwurzelten, es mental und psychisch fundamental prägenden Ohnmachts-, Angst- und Schuldgefühle, sowie dessen inneren Zwang zur Unterwerfung und Selbstdisziplinierung moralistisch und propagandistisch gleichermaßen auslebt wie kompensiert.