Die Militäroperation gegen Libyen Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Montag, den 21. März 2011 um 11:03 Uhr

Bereits am Samstagabend begann die militärische Umsetzung der UN-Resolution gegen das libysche Regime um Muammar al-Gaddafi. Nach Medienberichten kam es zu teils massiven Luftangriffen auf die libysche Armee. Beteiligt sind die amerikanische, die britische und französische Luftwaffe. Auch Italien und Dänemark sind an den Angriffen beteiligt. Gaddafi hatte im Vorfeld behauptet, dass die Angriffe des libyschen Militärs auf Aufständische beendet seien.

Medienberichten zufolge gingen die Kämpfe, insbesondere in der Rebellhochburg Bengasi aber stets weiter. Auch die am Sonntag vom libyschen Regime erneut verkündete Waffenruhe werde nicht eingehalten. Das libysche Militär attackiere weiterhin Aufständische heißt es. Das US-Regime bezeichnete die westlichen Angriffe als erfolgreich. Ein großer Teil der libyschen Luftwaffe und Luftabwehr sei zerstört worden und somit eine Flugverbotszone durchsetzbar.

Aus dem Ausland, vor allem Russland, aber auch aus der Arabischen Liga kommt Kritik an den Angriffen aufgrund von Berichten über zivile Todesopfer. Die Arabische Liga sprach sich für eine Flugverbotszone aus, aber gegen militärische Operationen zu deren Durchsetzung. Die UN-Resolution wurde aber von der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) begrüßt und zuvor auch maßgeblich initiiert.

Dieser geht es besonders um das Verhindern und Beenden der massiven militärischen Übergriffe des libyschen Regimes auf Zivilisten. Sie sprach sich aber auch deutlich gegen den Einsatz von Bodentruppen und gegen jede Form der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Libyens von Seiten des Westens aus. Dies ist eine Position, die man nahezu vorbehaltlos unterstützen kann. Ganz im Gegensatz zu den Verlautbarungen, die aus den Kreisen der westlichen Regime kommen.

So behauptete etwa der UK-Premier Cameron, dass die westliche Militäraktion gegen Libyen notwendig, legal und richtig sei. Diese Aussage ist freilich nicht mehr als gequirlte Scheiße. Denn schlichtweg keines der drei genannten Attribute ist zutreffend. Die Legalität hat sich diese Operation durch ein westliches politisches Instrumentarium selbst verliehen.

Echte Legalität lässt sich einer Handlung aber nur durch Moralität, durch sittliche Vernunft geben - und nicht durch (Mehrheits-)Entscheidungen in elitären politischen Zirkeln und Zusammenkünften. Zudem ist die Situation in Libyen aber gewissermaßen völlig verfahren - bzw. noch besser gesagt: bereits völlig an die Wand gefahren -, so dass weder eine moralische, und damit legitime, und am allerwenigsten eine richtige Lösung denkbar ist.

Deswegen nämlich, weil es eben gerade der Westen war, der jetzt als Friedensstifter und Schutzengel der Libyer auftritt, der das libysche Regime finanziert und ausgerüstet, und damit einen teilweise regelrechten Vernichtungskrieg gegen Zivilisten, besonders Aufständische maßgeblich mitzuverantworten hat.

Aus diesem Grund allerdings könnte man die Angriffe bestenfalls noch als notwendig bezeichnen, sofern sie sich wirklich ausschließlich gegen den libyschen Militärapparat und gegen das libysche Regime richteten und zugleich für den Schutz der Zivilisten und für eine indirekte Unterstützung der Aufständischen.

Dies allerdings auch nur insofern diese tatsächlich eine völlig neue, freiheitlichere politische Ordnung in Libyen errichten wollen. Dies sind einige notwendige Bedingungen also, um eine "Notwendigkeit" des westlichen Militäreinsatzes zu behaupten. Spätestens an der letzten aber dürfte es scheitern. Denn an einem souveränen, freiheitlichen Staat Libyen dürfte die westliche, vom Öl abhängige - und in Zeiten des Kollaps ihrer unzulänglichen, parasitären Wirtschaftsordnung umso mehr vom Öl abhängige - Gesellschaftsordnung kein großes Interesse haben.

Zudem ist bereits allein der Militäreinsatz an sich ein für den militärischen Industriekomplex lukratives Geschäft. Der Westen profitiert also - und dieser Profit, das Antreiben und Erhalten der Wirtschaftsmaschinerie des Westens, ist freilich eine der treibenden Kräfte in diesem Prozess des Säbelrasselns gegen Libyen.

Nur in dem Maße, wo dieses tatsächlich dem Schutz von Menschenleben in dem Land, und einer in Zukunft freiheitlicheren Gesellschaftsordnung dient, kann er, mit viel gutem Willen also, als "notwendiges Übel", als beste von ausschließlich schlechten Lösungen, als richtige von ausschließlich falschen Lösungen, zur Verhinderung eines leisen Völkermordes und zur Beseitigung des totalitären und durchgeknallten Regimes in Libyen verstanden werden.

Auch wenn sie am Ende Gutes bewirken mag - die Hoffnung diesbezüglich stirbt sprichwörtlich zuletzt - bleibt es eine schmutzige Lösung. Eine scheinheilige Lösung, mit der die westliche Welt ihrer Verantwortung für die Ereignisse in Libyen nur teilweise gerecht wird. Ganz im Gegensatz aber zu Ländern wie Deutschland, deren Regime dieser Verantwortung überhaupt nicht gerecht wird, sie sogar vollständig leugnet. Dies macht den Gipfel der Scheinheiligkeit und Doppelzüngigkeit aus.

Nicht nur gegenüber Libyen, sondern auch gegenüber der eigenen Bevölkerung. Denn die deutsche Regierung missbraucht sowohl die Gewalt in, als auch gegen Libyen für ausschließlich innenpolitische Zwecke. Es sind besonders machtpolitische, auch Wahlkampf-Gründe, aus denen sie sich unter einem moralistischen Deckmantel außenpolitisch als Querulant darstellt und innenpolitisch als handzahmer Herrschaftsapparat.

Weder der deutschen Vogelstraußregierung, noch anderen westlichen Kriegsmächten aber geht es dabei wirklich und letztendlich um die libysche Zivilbevölkerung. Einen guten, im öffentlichen Diskurs kaum anfechtbaren Vorwand für das profitable Hochfahren der westlichen Militärmaschinerie bietet sie aber allemal.

 

Die Motivation des Westens: Humanitäre oder doch nur Profit-Interessen?

So rechtfertigte natürlich auch US-Präsident Obama die Angriffe auf Libyen mit dem Schutz von Zivilisten. "Das libysche Volk muss beschützt werden", floskelte das amerikanische Regime-Oberhaupt. Die Ernsthaftigkeit solcher Aussagen aus dem Munde westlicher Politiker darf ebenso bezweifelt werden, wie die Selbstlegitimation der Militäraktion der angreifenden Staaten.

Denn bislang hat das "libysche Volk" die westliche Welt kaum mehr als einen Scheißdreck interessiert. Warum ist es dem, seine eigene, der Welt als allgemeinverbindlich aufoktroyierte Vorstellung von Freiheit gewohnheitsmäßig mit Waffengewalt bringendem Westen jetzt auf einmal so wichtig? Interessiert hat ihn bislang nur das libysche Regime als wichtiger Handelspartner - gelegentlich auch als äußeres Feindbild zur Ablenkung von den der westlichen Staatsform und Gesellschaftsordnung immanenten Problemen.

Und für Säbelrasseln, das die Kassen des militärischen Industriekomplexes klingeln lässt. Interessiert hat den Westen neben dem eigenen Profit eigentlich immer nur das libysche Öl, welches das Getriebe der westlichen Profitmaschinerie am Laufen hält. Dienstbare und nützliche Vasallen wie Gaddafi, inthronisiert als totalitäre Tyrannen über einer auf diese Weise arm, schwach und unfrei gehaltenen Gesellschaft, waren dem Westen dafür immer sehr willkommen.

Insofern ist wohl auch eine weitere Verlautbarung aus Kreisen der westlichen Angreifernationen wenig verwunderlich, vielleicht sogar ungewollt bloßstellend. So verkündete das US-Regime nämlich, dass Gaddafi selbst nicht auf der Zielliste stehe. Eine Mitteilung, die allein bereits misstrauisch machen kann. Viel zu wenig passt sie ins Bild besonders der jüngeren amerikanischen Politik, die doch so gerne und öffentlichkeitswirksam Jagd auf aber halt nur von ihr zum Abschuss freigegebene Despoten und "Terroristen" macht.

Gaddafi scheint also vorerst das Schicksal erspart zu bleiben, sich einen langen Bart wachsen lassen und in einem Erdloch verkriechen zu müssen. Wirklich überraschend ist das aber nicht, da er sich (meistens) offensichtlich zur westlichen Machtpolitik - im Gegensatz zu Saddam oder dem iranischen Regime - loyal oder zumindest dienstbar verhalten hat. Wohl auch aus diesem Grund ist Gaddafi einer jener Herrscher, die vom Westen jahrzehntelang hofiert und finanziert worden sind.

Eine Sonderrolle nimmt er allerdings auch ein, da er in der Vergangenheit gleichzeitig auch ein leicht präsentierbares Feindbild war. Das spätestens kurz nach der Jahrtausendwende aber veraltet war und durch ein noch diffuseres, paranoideres Feindbild, nämlich Osama bin Laden und seine terroristische "Weltverschwörung" ersetzt wurde. Damit wurde Gaddafi so hoffähig wie seine ehemaligen Nachbarherrscher wie Mubarak oder Ben Ali. Die wurden nun inzwischen von ihren Gesellschaften hinweg gejagt.

Gaddafi klammert sich aber mit aller Macht an seinen westlichen Vasallenthron - und scheint dafür bis zum Äußersten zu gehen. Und so steht der Tyrann mitsamt seines Regimes und seines Militärapparates nun in einem Krieg des Staates gegen seine eigene Bevölkerung. In einem Bürgerkrieg, den die westliche Wohlstandsgesellschaft maßgeblich mit verschuldet hat, die das libysche Regime jahrzehntelang hofiert, ausgerüstet und aufgerüstet hat. Und dasselbe nun vielleicht auch mit den Aufständischen macht.

Und so könnte ein Ziel der westlichen Militäroperation gegen letztlich nur das libysche Militär, aber nicht gegen das libysche Regime, durchaus auch sein, einen möglichst langwierigen Bürgerkrieg zu gewährleisten, von dem die westliche Rüstungsindustrie, und natürlich auch Exportweltmeister Deutschland - erst recht in Zeiten einer kollabierenden Ökonomie - profitieren werden. Der Ölreichtum Libyens, auf den der Westen dabei auch, vielleicht hauptsächlich schaut, kann ebenfalls dafür oder dagegen sprechen.

Dagegen spricht die Aufrechterhaltung der Öllieferungen an den Westen. Dafür spricht die mögliche Verteuerung des Öls, mit der Instabilität des libyschen Ölmarktes als Vorwand. In Zeiten kollabierender Märkte und sinkender Kaufkraft, ist dies eine gefährliche Politik - den anti-industriellen, anti-mittelständischen Monopolinteressen der westlichen Wirtschaftseliten aber auch wiederum entgegen kommend.

Die Zukunft wird zeigen, wohin die Reise für Libyen geht, und ob und wenn, auf welche Weise und in welchem Ausmaß sich die westliche Welt dabei die Hände schmutzig macht. Je länger die westlichen Militäraktionen dauern, und je länger das Gaddafi-Regime nicht gezielt beseitigt wird, sei es von Aufständischen oder vom Westen, umso offensichtlicher wird sein, dass der Westen dann vorrangig eigene Ziele verfolgt, und nicht die der libyschen Gesellschaft.

Die Zukunft wird zeigen, ob sich auch Deutschland weiterhin auch auf Kosten der libyschen Gesellschaft die Hände schmutzig machen wird. Um seine eigene Wirtschaftsmaschinerie aufrecht zu erhalten. Waffen gegen Öl - dieses ohnehin bereits bestehende deutsche Geschäft mit Libyen könnte unter Bürgerkriegsbedingungen und mit Deutschland unter der politischen Maskerade des neutralen Zuschauers noch lukrativer werden. Moralisch ist es nur eine weitere Bankrotterklärung der deutschen Wohlstandsgesellschaft.