Ökonomische Dogmen: Arbeitskult und Umverteilung Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Sonntag, den 08. Mai 2011 um 22:09 Uhr

Ein aktueller Kommentar in der SZ versucht die Vorzüge des Sozialstaatsprinzips, der Umverteilung von oben nach unten, gegenüber dessen neoliberalen und zinskapitalistischen Gegenstück, der Umverteilung von unten nach oben, zu preisen. Die Ausführungen erscheinen zu Beginn in einem aufklärerischen Gewand, indem sie den neoliberalen Dogmatismus der gegenwärtigen ökonomischen Lehre und Praxis, zumindest ansatzweise an den Pranger stellen.

Dennoch bleibt freilich auch der Gegenentwurf, der Rückgriff auf das Sozialstaatsprinzip, ein Griff in die Mottenkiste. Das Prinzip der Umverteilung von oben nach unten ist nicht weniger reaktionär, und nicht weniger dogmatisch als dessen neoliberaler Gegensatz. Und noch ein weiteres, reichlich abgestandenes Dogma durchzieht den gesamten Artikel: Der Erwerbsarbeits- und damit auch Lohnkult.

Aufklärung, im wirklichen, also emanzipatorischen Sinne sieht also gänzlich anders aus. Dem Grundtenor des Kommentars, nicht denselben neoliberalen Irrweg wie die USA einzuschlagen, kann man freilich nur zustimmen. Doch der vorgeschlagene Gegenentwurf ist nicht weniger ein Irrweg.

Der alimentierende Sozialstaat mitsamt einer Lohnarbeitsfixierten Wirtschaftspolitik ist ein Relikt aus der Vergangenheit, aus "Wirtschaftswunder"-Zeiten, als sowohl der Bedarf nach, als auch das Angebot von industriell geprägter Erwerbsarbeit weitaus höher gewesen sein mag, als der Bedarf nach und das Angebot von Freiheit. Diese Zeiten aber sind nun endgültig vorbei.

Der Monopolkapitalismus hat sein politisches Feindbild und zugleich seinen Bruder im Geiste, den realsozialistischen Staatskapitalismus verloren, konnte sich daraufhin ungehemmt entfalten, und damit auch seinen parasitären, ruinösen Charakter. Die Folgen werden immer sichtbarer – wenn sie auch aktuell durch Wachstumspropaganda verdeckt werden sollen.

Das Wachstum, auf das sich die manipulative Propaganda, elementarer Bestandteil des Monopolkapitalismus, beruft, besteht wohl aus den letzten monetären und produktiven Ausdünstungen eines kollabierenden Wirtschaftssystems. Eines Systems, dessen verselbstständigte Produktivität in immer größerem Ausmaß auf Pump finanziert werden muss – und in immer größerem Ausmaß Müllhalden füllt, anstatt realen Bedarf zu befriedigen.

Während in den unteren sozialen Schichten also die Kaufkraft rapide sinkt – eine Entwicklung, die schleichend und schrittweise zwangsläufig in die mittleren und höheren Einkommensschichten vordringt – bleiben die Regale voll, und damit eine lediglich vollen Regalen, und letztlich eben der Müllhalde dienende Produktivität.

Die aufgrund sinkender Kaufkraft daher auch zunehmend auf ihre Finanzierung über Schulden angewiesen ist. Neben ausufernden Renditen steigen somit insbesondere auch die öffentlichen, wie privaten Schuldenlasten. Erwerbseinkommen sind dabei ein äußerst störender Kostenfaktor – mit der Folge real sinkender Einkommen, und damit freilich weiterhin sinkender Kaufkraft. Zumal auch die privatwirtschaftlichen Schulden in den Preisen landen, also vom Konsumenten getragen werden müssen.

Unter dem Strich ist dies ein völlig irrationales und sinnloses Wirtschaftssystem, dessen permanente, und zuletzt enthemmte Krisentendenzen keine bösen Launen eines übel gesinnten, unausweichlichen Schicksals sind, sondern die zwangsläufigen Folgen einer Wirtschaftsordnung, die sich mit Haut und Haaren unanfechtbaren Dogmen und Götzen verschrieben hat.

Der parasitäre und ruinöse Charakter eines dadurch überhaupt erst monopolistisch pervertierten Kapitalismus entsteht durch das zentrale Dogma und Prinzip des Zinskapitals, das zu einer wundersamen Vermehrung von angelegtem, und damit weitestgehend fiktivem Geld führt, das aber als Anspruch auf reales, (potenziell) liquides Geld wirkt – und somit realwirtschaftlich als Schulden in Erscheinung tritt.

An dieser Stelle ist dem Prinzip der Umverteilung von oben nach unten durchaus etwas sinnvolles, sogar notwendiges abzugewinnen. Denn der Zinskapitalismus erschafft horrende Vermögen aus dem Nichts, die reales Geld und damit auch die Realwirtschaft immer gravierender belasten und regelrecht ausbluten lassen.

Was dementsprechend immer neue staatliche Geldtransfusionen, und damit aber auch ständig neue, und völlig ausufernde Staatsschulden erforderlich macht. Scheinbar - denn tatsächlich ist am Ende die Gesellschaft das Melkvieh, das die Staatschulden trägt, und die aus überakkumulierten Zinskapital bestehenden Vermögen weiter mästet, und sich selbst zur Schlachtbank führt.

Diese nicht durch realwirtschaftliche Produktivität, nicht im Rahmen gesellschaftlicher Nachfrage, sondern auschließlich durch das Zinsprinzip entstandenen Vermögen haben eine dementsprechend geringe Daseinsberechtigung und sind dementsprechend politisch antastbar. In einer freiheitlichen Gesellschaft kann und darf es aber auch nicht das Ziel sein, in einer autoritären Sozialstaats- und damit auch Umverteilungsmaschinerie gefangen zu sein, die auf parasitäre Überakkumulation von Kapital bloß reagiert, anstatt dies grundsätzlich zu unterbinden.

Vielmehr müssen also genau diese Prozesse der Umverteilung grundsätzlich aufgehoben werden. Weder ein von unten nach oben umverteilender Geldschöpfungsmechanismus, noch ein darauf hin von oben nach unten umverteilender Sozialstaat besitzen aus freiheitlicher Perspektive weder eine schicksalhafte Notwendigkeit, noch überhaupt eine Daseinsberechtigung. Ganz besonders gilt dies auch für die Alimentierung einer maroden Ökonomie durch den Staat - Belastungen, die durch direkte und indirekte Steuern schließlich auf die Gesellschaft umverteilt werden.

Um solche Prozesse aber grundlegend auflösen und überwinden zu können, bedarf es dementsprechend auch der Erosion der Grundlagen dieser Prozesse, bzw. der Dogmen, die ihnen zugrunde liegen. Denn der Zinsmechanismus und das diesem zugrunde liegende Wachstumsdogma haben ihre Wurzeln in einer noch viel tiefer liegenden Dogmatik.

Die eigentliche Wurzel des Problems einer dem Zinskapital völlig ausgelieferten Gesellschaft ist der Arbeitskult – das (industriell geprägte) Arbeiten zum (letztlichen) Selbstzweck. Dieser Kult ist das eigentliche, heimliche, aber zentrale Machtinstrument, mit dem Menschen dressiert, zerrüttet, in eine Produktionsmaschinerie eingefügt, und damit letztlich unterworfen werden.

Am Ende geht es nämlich nur um Macht – um die Macht einer kleinen, größtenteils unsichtbaren Elite über Menschen, die durch Arbeit zu beschäftigt, und nicht selten auch zu dumm sind, um sich aufzulehnen und in echter Freiheit zu leben. In "echter" Freiheit heißt: Nicht in dem pervertierten Freiheitssurrogat des Liberalismus, das sich auf eine moralistisch dressierte Willkür beschränkt.

Die liberale Freiheit ist letztlich nur ein Synonym für Unterordnung, und in ihrer schizophrensten Form auch für eine gewaltsame, autoritäre bis totalitäre Kompensation dieser devoten, unterwürfigen Grundhaltung, zu der Menschen im liberalen Staats- und Wirtschaftsgefüge von Kindesbeinen an abgerichtet werden.