Länderspiel in Wolfsburg Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Sonntag, den 31. Oktober 2010 um 11:20 Uhr

Am Donnerstag Abend traf die Nationalmannschaft in Wolfsburg auf die Auswahl Australiens. Mit einem 2-1 Sieg behielt der amtierende Welt- und Europameister verdient, aber auch etwas glücklich, die Oberhand über den Asienmeister. Besonders zu Beginn der Partie ließ die DFB-Auswahl hochkarätige Chancen liegen, und geriet zunächst schließlich in Rückstand.

Nach knapp einer halben Stunde hatte die 17-jährige Samantha Kerr den Führungstreffer für Australien erzielt. Weitere Treffer gelangen den Gästen aber nicht. Stattdessen erzielte Inka Grings acht Minuten nach dem Rückstand der DFB-Elf den Ausgleich. Die Entscheidung fiel erst in der zweiten Hälfte, knapp zwanzig Minuten vor Spielende. Die eingewechselte Wolfsburgerin Martina Müller traf gewissermaßen vor heimischer Kulisse zum 2-1 Endstand.

Ein Wermutstropfen waren insbesondere die Verletzungen von Kerstin Garefrekes und Sonja Fuß. Garefrekes war nach zwanzig Minuten bei einem Zweikampf unglücklich mit Sally Shipard zusammen geprallt, und wurde nach längerer Behandlung auf den Platz ausgewechselt. Befürchtungen von einem Bänderriss oder sogar Kreuzbandriss bestätigten sich nicht. Garefrekes hat sich aber eine Prellung des Kniegeklenks und des Innenbandes zugezogen.

Für sie kam Celia Okoyino da Mbabi ins Spiel. Auch Fuß blieb zur Pause in der Kabine. Für sie gab es nach dem Spiel ebenfalls Entwarnung: Fuß hat sich eine Innenbandzerrung am Knöchel und eine Prellung des Fußgelenks zugezogen. Für sie feierte mit Verena Faißt eine weitere Wolfsburgerin ihr Debut in der Nationalmannschaft.

In der zweiten Hälfte kam eine weitere U20-Weltmeisterin zu ihrem ersten Länderspieleinsatz: Dzsenifer Marozsan kam knapp zwanzig Minuten vor Spielende für Inka Grings in die Partie. Neben der Duisburger Stürmerin stand Birgit Prinz von Beginn an auf dem Platz. Im Mittelfeld agierten zunächst Lira Bajramaj, Simone Laudehr, Kim Kulig und bis zu ihrer Verletzung Kerstin Garefrekes. Für Kulig war die spätere Torschützin Müller, für Prinz Vereinskollegin Ariane Hingst ins Spiel gekommen.

Im Tor stand Ursula Holl die gesamte Partie hindurch. In der Viererkette spielten Sonja Fuß, Lena Goeßling, Saskia Bartusiak und Babett Peter von Beginn an. Goeßling bildete wie schon im Länderspiel zuvor gegen Kanada gemeinsam mit Bartusiak die Innenverteidigung. Sie gehört zu den Spielerinnen, die laut Bundestrainerin Silvia Neid noch auf den WM-Zug aufspringen können und sich beweisen müssen.

Angesichts ihrer Abstellung in die Innenverteidigung könnte sie aber eher eines der Bauernopfer dieser abstrusen Aufstellungspraxis werden. Auch in diesem Spiel erwies sich die Abwehrreihe einmal mehr als die Achillesferse des Teams. Weder Bartusiak, noch Goeßling sind ausgebildete Innenverteidigerinnen. Bartusiak wird allerdings bereits seit geraumer Zeit sowohl im Verein, als auch im Nationalteam als Innenverteidigerin eingesetzt. Goeßling gehört in der Liga zu den tragenden Säulen im Mittelfeld und Offensivspiel der jungen Bad Neuenahrer Mannschaft.

Die Aufstellung in der Innenverteidigung ist umso unverständlicher, als dass mit Sonja Fuß und Babett Peter gestandene Innenverteidigerinnen zugegen sind, die aber ausschließlich auf den Außenpositionen eingesetzt werden, wo insbesondere Fuß ein ähnliches Schicksal wie Goeßling droht. Zudem gibt es neben der derzeit verletzten Stammkraft Annike Krahn Spielerinnen wie Navina Omilade oder Josephine Henning für diese Position. Weitere Spielerinnen wie Bianca Rech, Viola Odebrecht oder Jennifer Zietz, wenngleich hauptsächlich Mittelfeldakteurinnen, werden regelmäßig und teilweise fast schon systematisch übergangen.

Erklärungsnöte der Bundestrainerin sind aber nicht voraus zu sehen. Zu groß ist derzeit das Leistungsgefälle im internationalen Vergleich, und zu überlegen dementsprechend die DFB-Auswahl konkurrierenden Mannschaften. Einzig Brasilien und die USA sind spielerisch, körperlich und taktisch nicht nur in der Lage mitzuhalten, sondern Deutschland potenziell überlegen. Ob es zum Weltmeistertitel reichen wird, wie im vergangenen Jahr zum Europameistertitel, ist also noch längst nicht gewiss.

Auch nicht mit einer abstrus langen Vorbereitungszeit von drei Monaten Länge auf die Weltmeisterschaft, die im Juni kommenden Jahres beginnt. Zu Lasten der Bundesliga, da die laufende Saison bis März durchgepeitscht wird. Inwieweit die Mannschaft bis zum WM-Beginn nicht völlig aus dem Spielrythmus geraten ist, wird sich zeigen. Klar wird aber bei einem solchen, den Bundesliga-Vereinen und meisten Spielerinnen gegenüber recht rücksichtslosen Verhalten, dass beim DFB ein geradezu krankhafter Erfolgswahn vorherrscht.

Eine dreimonatige Vorbereitungszeit auf ein WM-Turnier, ob nun im eigenen Land, oder wo auch immer, ist schlichtweg absurd und durch nichts zu rechtfertigen. Mit den Frauen scheint man es aber widerspruchslos machen zu können. Dort gibt es keinen Uli Hoeneß, und auch keine Lobby für die Bundesliga. Abgesehen vom FFC Frankfurt am Stammsitz des DFB, und mit Abstrichen vielleicht noch Turbine Potsdam, bei dem DFB-Präsident Zwanziger, der sich stets zum Frauenfußball-Förderer und Bewunderer hochstilisieren lässt (wenigstens solange er erfolgreich ist und sich dementsprechend vermarkten lässt), Mitglied ist.

Man kommt kaum daran vorbei, dem bekannten und beliebten Slogan "Fußball-Mafia DFB" nicht doch immer wieder gewisse Berechtigung zugestehen zu müssen. Ganz besonders deutlich wird dies freilich bei der ewigen Rumhurerei des Vereins mit der asozialen, kriminellen und menschenfeindlichen Politikerbande dieses Landes. Die permanent so großspurig verkündeten Werte und Ideale des DFB wie Toleranz und Fair-play sind dabei pure Verhöhnung und stellen sich selbst als leere, moralistische Phrasen bloß, mit denen sich der DFB zwar gut vermarkten, aber keinerlei reale gesellschaftliche Verantwortung übernehmen kann und will.

Gerade auch in Anbetracht dessen dürfte die erbärmliche Zuschauerkulisse bei dem jüngsten Länderspiel in Wolfsburg ein ordentlicher Dämpfer sein. Gerade einmal 7.229 Zuschauer besuchten am Donnerstag Abend die Wolfsburger WM-Arena. Als Gründe wurden zu hohe Eintrittspreise oder der Zeitpunkt des Spiels gesucht. Ein weiterer, und wohl der entscheidende Grund dürfte sein, dass Frauenfußball in weiten Teilen der Gesellschaft keine allzu große Beliebtheit erfährt.

Insbesondere in provinziellen Regionen wie in Wolfsburg, in der bereits die Bundesliga-Spiele kaum Beachtung finden. Die Stadt zu einem WM-Spielort zu machen ist eine mehr als fragwürdige Entscheidung. Dass es auch anders geht, zeigten unlängst Dresden beim Länderspiel gegen Kanada, sowie die drei Spitzenvereine der Bundesliga, die unter normalen Umständen zumindest vierstellige Besucherzahlen verzeichnen können.

Etwas besser als die Besucherzahlen im Stadion waren aber zumindest die Einschaltquoten. Im Schnitt verfolgten 3,53 Mio. Fernsehzuschauer das Spiel der DFB Auswahl im ZDF. Das entspricht einem Marktanteil von 13,9 Prozent. In der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen Konsumenten stieß die Partie allerdings weitgehend auf Desinteresse. Nur 0,52 Mio. Zuschauer sahen die Partie der deutschen Elf. Dies entspricht lediglich einem Marktanteil von 5,5 Prozent.

Beliebtheit erfuhr das Spiel laut Statistik dafür aber von Senioren, sowie von Besserverdienenden. 2,00 Mio. Erwachsene ab 65 Jahre verfolgten die Begegnung, was einem Marktanteil von 23,5 Prozent entspricht. Haushalte mit einem Nettoeinkommen von über 1.750 Euro stellten 1,94 Mio. Zuschauer und einen Marktanteil von 15,6 Prozent. Auf den ersten Blick erscheint dies erstaunlich, passt aber letztendlich doch ins Bild des gegenwärtigen rückständigen Geisteszustandes, gerade der maßgeblich calvinistisch und rassistisch geprägten abendländischen Gesellschaft.

Besonders die jüngere, weniger gut situierte und gebildete Bevölkerungsschicht ist wesentlich empfänglicher für das platte Abziehbild stereotyper Männlichkeit aus eben diesem ideologischen Milieu calvinistischer und rassistischer Geisteshaltung. Dies belegt auch eindrucksvoll, dass es vielen "Fans" um Fußball an sich, nämlich technische und spielerische Fertigkeiten, oft nur am Rande, primär und als Ganzes aber um die Kompensation gesellschaftlich vermittelter Minderwertigkeitskomplexe und Übervorteilungsparanoia, durch den im Männerfußball besonders ausgeprägten Fetisch von Kampf und Athletik geht. Daher kommt es auch stets zu absurden Vergleichen zwischen Männer- und Frauenfußball, die es in keiner einzigen Sportart sonst gibt.

Ob unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr, propagiert unter dem semi-debilen Motto "20Elf von seiner schönsten Seite", auch nur ansatzweise die Ausmaße eines "Sommermärchens" erreichen kann, bleibt also abzuwarten. Während der gegenwärtig laufenden WM-Saison scheint das Interesse am Frauenfußball eher noch abzunehmen. Das immens große Leistungsgefälle allein in der ersten Liga ist allerdings auch kaum förderlich. Zeigen muss sich, wieviele Menschen sich wenigstens von (stilisierten) Großereignissen wie einer Weltmeisterschaft begeistern lassen (wollen).

Die U20-Weltmeisterschaft im Juli dieses Jahres zeigte in dieser Hinsicht teilweise schon recht gute Ansätze. Inwieweit das forcierte Ankarren von Kindern und Jugendlichen in die Stadien, zwecks der proklamierten Inszenierung eines Familienfestes (statt Fanfestes), zu mehr reicht als gefälliger "Hallenbad-Atmosphäre" in den Spielstätten, bleibt ebenfalls abzuwarten. Auch in dieser Hinsicht genießt das Länderspiel in Dresden Vorbildcharakter, das zeigte, welche bekannte, und insbesondere einer Weltmeisterschaft würdige Art von Stimmung auch im Frauenfußball erreichbar ist.

Das nächste und letzte Länderspiel in diesem Jahr wird in Leverkusen stattfinden. Das Städtchen im Rheinland kann also zeigen, ob es sich von Wolfsburger Provinzialität zu unterscheiden vermag, und zumindest die Entscheidung, auch die BayArena zur WM-Spielstätte zu machen, eine gute war. Die DFB-Elf wird dort am 25. November auf die Auswahl Nigerias treffen. Die Partie gegen die technisch und körperlich starken Afrikanerinnen könnte für die deutschen Frauen zum Abschluss des Länderspieljahres noch einmal ein richtiger Härtetest werden. Insbesondere mit einer Innenverteidigung, die keine ist.