Der Selbstbetrug der Mittelschicht Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Dienstag, den 13. Juli 2010 um 00:00 Uhr

Aus dem "Deutschlandradio Kultur":

 

Falsche Identifikation mit den Reichen

Ulrike Herrmann: "'Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht"

Rezensiert von Ernst Rommeney

Die "taz"-Redakteurin Ulrike Herrmann hält der von Abstiegsängsten geplagten Mittelschicht den Spiegel vor: Sie unterstütze eine unsoldarische Steuerpolitik, da sie sich zu Unrecht als Teil der Elite fühle.

Die Mittelschicht, davon ist Ulrike Herrmann überzeugt, wird die Folgen von Bankenkrise und Rezession bezahlen. Aber daran sei die Mitte der Gesellschaft selbst schuld, weil sie eine Steuer- und Sozialpolitik unterstütze, die ihren eigenen Interessen schade und nur den reichen Menschen nutze. Die Wirtschaftsjournalistin will politische Irrtümer vor Augen führen. So kämpfe die Mittelschicht um sozialen Aufstieg und identifiziere sich daher mit der Oberschicht. Sie fürchte den sozialen Abstieg und verachte daher die Unterschicht. Und beides sei falsch.

Ulrike Herrmann: "Diese sehr starke Verachtung und Abgrenzung gegenüber der Unterschicht führt dazu, dass die Mittelschicht dann fälschlicherweise immer glaubt, sie sei eigentlich schon fast Elite oder Teil der Elite. Und das führt dann wiederum dazu, dass die Mittelschicht zum Beispiel Steuersenkungen durchwinkt, die eigentlich nur der Elite nutzen."

Denn sie hänge der Illusion an, in einer nivellierten Mittelstandsgesellschaft zu leben. Sie verdränge schlicht, dass einem reichen Fünftel der Bevölkerung fast alle Produktionsmittel gehören. Und sie störe sich nicht einmal an den Lücken der Statistik:

Zitat: Während jeder Hartz-IV-Empfänger seine gesamten Konten offenlegen muss, sind die Daten über die großen Besitztümer und Top-Einkommen eher nebulös. Der Reichtum in Deutschland verschwindet im statistischen Dunkelfeld.

Ulrike Herrmann: "Frage ist natürlich, wie setzen sich die Eliten durch. Und ihr wesentlicher Mechanismus ist, der Mittelschicht zu signalisieren, dass sie eigentlich Teil der Elite sei."

[...]

Die Mittelschicht steigt eben nicht sozial auf, schon gar nicht, wenn Einkommen stagnieren und Arbeitslosigkeit droht. Und daraus zieht sie einen falschen Schluss, kritisiert die Autorin.

Ulrike Herrmann: "Die Mittelschicht hat eben das Gefühl, dass der Staat nur noch dazu da sei, die faule Unterschicht zu alimentieren, und sieht gar nicht, dass eigentlich die Mittelschicht sehr stark genau von diesem Staat doch profitiert, beispielsweise wenn es um das Schulwesen geht. Und dann ist die Mittelschicht eben bereit, zum Beispiel in Privatschulen auszuweichen, obwohl das eigentlich sehr viel teurer ist für sie, als wenn sie das über Steuern finanzieren würde."

Sie setze sich ab - aus Kindergärten, Schulen und Stadtteilen, wo die eigenen Kinder auf die Unterschicht treffen könnten, jene, welche man schon an ihren Vornamen erkennt.

[...]

 

Die ganze Rezension auf Deutschlandradio Kultur: Falsche Identifikation mit den Reichen