Leben in Symbiose Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Dienstag, den 31. August 2010 um 00:00 Uhr

Boes kritisiert in seinem Text das asoziale Gebahren selbsternannter Leistungsträger: „Das Volkswohl ist nicht unsere Aufgabe“ sagt zum Beispiel der „Leistungsträger“ Ackermann, während er für seine schädlichen bis schändlichen Tätigkeiten Millionenbeträge einkassiert.

Genau hier hat Ackermann aber im Prinzip sogar recht, wenn er dies als Kapitalist sagt. Der Kapitalismus hat weder die Aufgabe für Arbeit, noch für Einkommen zu sorgen. Das muss die Gesellschaft selbst tun. Der jedoch durch den Finanzkapitalismus und dessen Zinssystem pervertierte Pseudo-Kapitalismus ist zu einer nahezu alle politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und individuellen Lebensbereiche durchdringenden Machtsphäre geworden, die Menschen systematisch entmündigt und ihrer Gestaltungs- und Teilhabemöglichkeiten beraubt.

Boes hat dabei also durchaus auch recht, wenn er Ackermann als Finanzkapitalist keinen großen gesellschaftlichen Nutzen zuschreibt. Im Gegenteil, als Teil eines parasitären Finanzsystems gehört er in diesem Sinne zu den destruktiven und destabilisierenden Elementen der Gesellschaft. Und gemäß neoliberaler Dialektik zu den wahren Sozialschmarotzern im Land.

Denn es ist das an wenigen Stellen konzentrierte, überakkumulierte (Zins-)Kapital der Privatvermögen, das in der Fläche, als liquides Kapital, der Grundvoraussetzung für Wertschöpfung und Produktivität, fehlt. Eben dies ist auch die eigentliche Funktion einer auf Kapitalverwertung statt Kapitalvernichtung beruhenden Ökonomie. Auf Kapitalakkumulation zum Zweck anhaltender, Bedarfsorientierter Produktivität, und nicht zum Selbstzweck der Überakkumulation, auf Kosten der Ökonomie und Gesellschaft.

Für das Volkswohl ist dabei jedoch primär die Politik, der Rechtsstaat verantwortlich. Und damit letztlich der Souverän. Dafür muss sich die Gesellschaft aber den (nicht dem!) Kapitalismus unterwerfen, anstatt umgekehrt, wie bisher. Um es somit einmal martialisch auszudrücken. Mit anderen Worten also: Wir brauchen ein Grundeinkommen. Als Grundlage unserer Emanzipation von totaler ökonomischer Verwertbarkeit durch den gegenwärtigen Kapitalismus.

Eine zweite Anmerkung ist der Krebsvergleich. Hier muss man aufpassen, nicht selbst in rassistische Denkmuster zu gleiten. Vorstellungen von "entarteten Zellen", die "wuchern" sind sehr paranoid, und ideologisch gesehen rassistisch, und biologisch gesehen unhaltbar.

Der Vergleich passt aber insofern, als dass die derzeitige Gesellschaft einen Organismus formt, der sich zu großen Teilen selbst aufzehrt, und sich von lebenswichtigen Prozessen und Funktionen trennt und langsam aber sicher abstirbt. Da etwas derartiges in der Natur nicht vorkommt, auch nicht beim Krebs, ist unsere gegenwärtige Gesellschaft in diesem Sinne tatsächlich völlig unnatürlich, und gehört schleunigst überwunden.

Besonders positiv muss heraus gestellt werden, was man in den Debatten zum Grundeinkommen oder zur Sozialpolitik zumeist vermisst. Dass Boes hier nämlich in Bezug auf die neoliberale Verschwörungsthorie vom Sozialschmarotzer nicht defensiv argumentiert, sondern sehr offensiv vorgeht. Also auf das übliche Schwadronieren von der angeblichen Arbeitsamkeit und Leistungsbereitschaft von Leistungsbeziehern verzichtet. Womit der dahinter stehenden rassistischen Ideologie letztlich immer recht gegeben wird.

Dagegen aber vielmehr offensiv vorgehen heißt auch, sich nicht länger der rassistisch konzeptionierten Doktrin des Leistungs- und Arbeitskultes zu unterwerfen. Und darüber hinaus auch differenziert zu betrachten, warum Menschen jenseits von existenziellen Zwängen arbeiten, oder warum nicht. 

Es dürfte derzeit durchaus viele Menschen geben, die durch die staatlichen Repressalien und Nötigungen, sowie aufgrund der Perspektivlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt durchaus keine große Motivation mehr haben, in irgendeiner Weise tätig zu werden. Die sich vielleicht auch moralistisch in der Hinsicht nicht mehr manipulieren lassen.

Aber es tragen eben nicht die Menschen an sich durch ihre angeblich "schlechte", "parasitäre" Natur, sondern die Gesellschaft als Ganzes dafür die Veranwortung. Eine Gesellschaft, die Menschen durch ihr rassistisches Menschenbild privilegiert oder diskriminiert, und durch ihre Herrschaftsordnung isoliert. Und auf diese Weise erst die Voraussetzungen für ihre anschließenden Verschwörungstheorien und repressive Machtausübung schafft.

Eine perfide Machtdialektik, die vielmehr als bisher betont und verstanden werden muss. Auf diese Weise lässt sich vielleicht auch der rassistischen Ideologie vom Menschen als Sozialschmarotzer wesentlich leichter der Boden entziehen.

Derselben Dialektik folgt auch die Verteufelung des Egoismus. Oder dessen Perversion, die in der Verbal-Inkontinenz eines Westerwelle zum Vorschein kommt (und daher besser dort geblieben wäre, wo niemals die Sonne scheint).

Wenn jeder an sich denkt, denkt jeder auch an andere. Weil jeder den anderen in sich selbst, und sich selbst im Anderen wiederfinden kann. Wenn dies nicht, oder nur unzureichend geschieht, dann deswegen weil die Wahrnehmung und das Denken dieser Menschen durch gesellschaftliche Nötigungen und Zwänge  verzerrt und umgepolt wurde.

Dies beginnt mit der menscheinfeindlichen Konditionierung von Geburt an, die Menschen durch Verzicht und Mangel auf die Anforderungen einer rassistisch pervertierten Wahrnehmung von Welt und Mesch regelrecht abrichtet und dressiert. Dem steht die Idee der Würde und das Vertrauen in Gewissensbegabung des Menschen diametral gegenüber.

Beide gehören zu einem Menschenbild, das den Menschen selbst, jeden einzelnen, in die Mitte der Gesellschaft rückt, und nicht länger ein Kollektiv als moralischen Maßstab inthronisiert. Letzeres führt uns in den Faschismus, oder hält uns dort gefangen. Eingezäunt durch rassistische Ideologie und Verschwörungstheorien. Mit denen sich die Menschen das Leben, durch Paranoia, Misstrauen, Missgunst, und Neid selbst zur Hölle machen.

Das Grundeinkommen dagegen tradiert ein völlig neues Paradigma. Nur ein freiheitlicher Rechtsstaat kann ein Bedingungsloses Grundeinkommen, als Teilhabe jedes Einzelnen in der Gesellschaft tragen. Und dementsprechend wird es von der Gesellschaft als Ganzes getragen, und an jedes einzelne ihrer Mitglieder gewährt.

Denn erst ein bedingungsloses Geben und Empfangen gibt dem Einzelnen die Freiheit, um kreativ und sinnvoll für sich selbst und für andere tätig werden zu können. Dies ist das Paradigma der Freiheit,  vom Menschen mit Würde, Vernunft und Gewissen, welches an die Stelle des Paradigmas der Herrschaft, vom Menschen als Parasiten tritt. Also an die Stelle des gegenwärtigen Welt- und Menschenbildes, welches den Menschen keine Freiheit bringt, sondern nur Spaltung, Entrechtung und Verarmung erzeugt.

Eine Gesellschaft mit Halbwertszeit, mitsamt ihres parasitären Zinskapitalismus, der sich auf Kosten der Menschen, und der Ökonomie, der sich diese unentwegt dienstbar machen müssen, ernährt. Und ihren Kollaps bereits in greifbare Nähe gerückt haben. Aber noch ist es nicht zu spät für ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Und eine andere, humane Gesellschaft.