Leidenschaft statt Leistung Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Sonntag, den 14. November 2010 um 00:32 Uhr

Zu den ausgeprägtesten Verschwörungstheorien um die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens gehört eine Wahnvorstellung, die aus calvinistischer Ideologie und der von einer solchen zwangsläufig verursachten geistigen und emotionalen Verkümmerung hervorgeht. Sie geistert durch alle säkularisierten post-calvinistischen Geisteshaltungen, von sozialistisch bis neoliberal geprägten, und mündet in einer gemeinsamen apokalyptischen Halluzination: Dem Zusammenbruch des Erwerbsarbeitssystems.

Dass im Gegensatz zu einem solchen autistisch-paranoiden, religiös-wahnhaften Realitätssurrogat das Bedürfnis nach Tätigkeit, Anerkennung, Anteilnahme und Selbstverwirklichung zutiefst im menschlichen Wesen verankert ist, ist eine Erkenntnis, die nur jenseits abstruser Paranoia und Verschwörungstheorien zu erreichen ist. Sie ist nicht nur eine Frage des Menschenbildes, sondern auch der Vernunft. Nur ein positives Menschenbild kann aus der Vernunft hervor gehen, insofern sie Maßstab eines aufgeklärten, und nicht ideologisch verklärten Denkens ist.

Aus calvinistischer und rassistischer Geisteshaltung nämlich, auch wenn sie sich als "Vernunft" ausgibt, um Aufklärung und Menschlichkeit zu untergraben, können dagegen nur entsprechend misanthrope Zerrbilder hervor gehen. Pathologische Vorstellungen und Vorurteile vom Menschen als Parasit und Nutztier, mit der fatalen Neigung, sich eben solche Menschen regelrecht heranzuzüchten, um ein solch perverses Welt- und Menschenbild, und letztlich nichts anderes als Macht über Menschen, auf diese Weise zu legitimieren.

Die Bestätigung der Vernunft und eines aufgeklärten Menschenbildes zeigt sich aber freilich auch in der empirischen Realität. Das gesellschaftliche Aufblühen eines Dorfes in Namibia etwa, unter den Bedingungen eines Bedingungslosen Grundeinkommens. Oder auch nur am Beispiel einer Frau, die bei Günther Jauch 500.000 Euro gewonnen hat. Die sich anschließend, bereichert also mit einer Art temporärem Grundeinkommen, nicht etwa von ihrem Menschsein verabschiedete, sondern sich stattdessen für das Leidenschaftsprinzip bekannte.

Bezeichnender- und konsequenterweise aber anstelle des Leistungsprinzips. Einer zumeist nur noch hohlen, instrumentalisierten Phrase für das schlichte, abgestumpfte Gemüt eines calvinistisch dressierten Arbeitszombies. Das Hinterhältige und Pathologische an calvinistischer Gesinnung liegt genau darin, den Menschen das Bewusstsein dafür zu rauben, dass Arbeit niemals Selbstzweck der Arbeit ist, sondern ein Selbstzweck des Menschen sein muss. Ein Mittel zum Zweck des Menschen, anstelle des Menschen als Mittel zum Zweck.

Dies ist nichts geringeres als eine der Grundbedingungen und ein zentraler Maßstab für wahre, nämlich aus der Vernunft des Menschen abgeleitete, und dementsprechend auf der Würde des Menschen gegründete Freiheit: Dass der Mensch niemals nur Mittel zum Zweck ist, sondern primär vor allem Selbstzweck. Dies ist angesichts heutiger calvinistischer Unkultur wohl eine der besten Varianten des Kategorischen Imperativs von Immanuel Kant. Und damit auch einer humanistischen, aufgeklärten Gesinnung. In der eben kein Platz ist für calvinistische Wahnvorstellungen und apokalyptische Verschwörungsfantasien.

Die Tatsachenrealität unterscheidet sich diametral von der Paranoia reaktionärer Intellektuellen- und Politikerplattitüden oder stumpfsinniger Stammtischagitation. Das menschliche Bedürfnis und Streben nach Tätigkeit, Anerkennung, Anteilnahme und Selbstverwirklichung ist elementarer Bestandteil seiner alles andere als selten erscheinenden liebenswürdigen und hilfreichen Natur. Sie ist das, was den Menschen erst zum Menschen macht, zu einem sozialen Wesen als Individuum. Und damit letztlich auch das, was Menschlichkeit ausmacht.

Diese wird erst durch calvinistische Weltanschauung, bzw. Weltverachtung pervertiert und in ihr misanthropes Gegenteil verkehrt. Es ist höchste Zeit, und Bestandteil echter Aufklärung im humanistischen Sinne, dass diese verschwörungstheoretische Leugnung und/oder Pervertierung eines zutiefst menschlichen Potenzials und Vermögens, nämlich für sich selbst und andere tätig sein zu wollen und zu werden, bloßgestellt wird.

Nämlich als die paranoide Wahnvorstellung, die sie ist. Als ein irrationales, misanthropes Realitätssurrogat, das nicht länger hingenommen und geglaubt, ja auch nur in Erwägung gezogen zu werden braucht. Apokalyptische, misanthrope, und letztlich auch zutiefst rassistische Paranoia vom Menschen als Parasit und führungsbedürftiges, dressierbares Nutzvieh kann niemals Grundlage eines freiheitlichen Gesellschaftsgefüges sein. Weder moralisch, noch politisch, noch ökonomisch. Sie dient lediglich der Entmündigung des Menschen und der Legitimation der Herrschaft über den Menschen mittels dessen Entmündigung.

Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen wird dieser Form von Paranoia und den aus dieser hervor gehenden rassistisch-calvinistischen Wahnvorstellungen massiv die Grundlage entzogen. Und damit wiederum das Fundament für ein wirklich freiheitliches Gemeinwesen geschaffen. Dieses Fundament ist der Mensch selbst, sein Wesen, seine Vernunft- und Gewissensbegabung. Freiheit im gesellschaftlichen Kontext, gemäß eines aufklärerischen Verständnisses, kann dementsprechend nur dieses heißen: Dass jeder Mensch als Mensch mit seinem innersten, unverfälschten Wesen und unantastbarer Würde Mittelpunkt und Grundlage der Gemeinschaft ist.